Am Freitag machten sich in Dresden, Leipzig und Cottbus einige Menschen auf den Weg nach Dorsten, um das Team Excelsior aktiv zu unterstützen. Dazu hatten wir auch gefühlt alle Ferienwohnungen in der Stadt reserviert.
Vor zwei Jahren zum Deutschlandpokal in Mörfelden war es der prasselnde Regen auf dem Hallendach. Diesmal musste die Musik der tänzerischen Darbietungen das monotone Scheppern der Lüftungsklappen über der Zuschauertribüne der Petrinum Sporthalle in Dorsten übertönen. Das großzügige Sport- und Schulgelände ist direkt an der Lippe zwischen Schifffahrtskanal und Fluss schön gelegen. Die Bausubstanz hat ihre besten Zeiten bereits hinter sich. Innen hat der SSV Rhade alles getan, um den Deutschlandpokal der Solos, Duos und Small Groups zu einem schönen Ort zu machen. So ließ es sich der Bürgermeister nicht nehmen, beide Turniertage persönlich zu eröffnen. Mit dem augenzwinkernden Hinweis, dass jeder Bürgermeister behauptet, die schönste Kommune zu verwalten. Dies allerdings in seiner 76.000-Einwohner-Stadt wirklich stimme. Wir waren jedoch der Schönheit des Tanzens wegen gekommen und kennen in Dorsten vor allem den Italiener vom Marktplatz, bei dem wir uns auf das Abenteuer des Wochenendes eingestimmt haben.
Annika Röhl hatte für die Smallgroup KonTakt mit sehr langer Vorbereitungszeit eine komplett neue Choreographie mit wunderbarer Musik und spektakulären Mehrfachhebungen ausgearbeitet. Welche die sportlichen und emotionalen Leistungsgrenzen der Tänzer*innen in Bezug auf die mannschaftliche Geschlossenheit komplett ausreizte. Jeder musste immer präsent sein. Damit die Dinge, die im Training scheinbar (fast) immer klappen, auch im Wettkampf gutgehen.
Ich hatte mir von der Mannschaft gewünscht, dass diese sich tänzerisch wie auf einer Bühne fühlen möge und nicht wie in einer Sporthalle. Ich hatte das Gefühl, das hat in der Vorrunde super geklappt.
Schade, dass man im JMC-Tanzsport die eigentlichen Punkt-Wertungen nie sehen kann. Die Darbietung sah so WM-reif aus, dass nun plötzlich Hoffnungen auf die Top 4 beim Fanblock wach wurden. Zugegeben, auch ich hatte im Kopf das WM-Hotel schon gebucht.
Wahrscheinlich kamen unsere begeisterten Augen zu gründlich bei den Tänzer*innen an.
Denn der tänzerische Erfolg hat zwei große Widersacher: Zuviel Euphorie und den „WM-Kopf“, der sich beim entscheidenden Durchgang besser nicht einmischen sollte. In den Gesichtern der Mannschaft blieb nach dem Turnier ein Gefühl von: Aaah, hätten wir doch im Finale nochmal so schön getanzt…
Mein Fazit: Platz 6 ist traumhaft für KonTakt. In dieser lebendigen Mannschaft tanzt eine liebenswerte Familie und keine perfekten Profis. Ich bin sogar etwas froh darüber, dass die Wertungsrichter*innen unserer Smallgroup die Zeit gegeben haben, sich behutsam zu entwickeln.
Phil als Solist kennt das Gefühl bereits, einen Platz neben den WM-Tickets zu stehen. Es sollte wieder exakt so kommen, dass drei Herren von den sieben Wertungsrichter*innen weiter vorn gesehen wurden. Für seine Duo-Partnerin Lilly Dreßl ging ein Traum in Erfüllung: Finale einer Deutschen Meisterschaft. Lilly tanzte sich im übertragenen Sinne die Seele aus dem Leib und konnte nach einem WM-reifen Durchgang die Tränen nicht zurückhalten. Sie bekam dafür die einzige Bestwertung, welche eine überragende Siegerin Lea Panknin nicht auf Ihrem Konto hatte. Die Leistungen waren derart hoch und dicht beisammen, dass Lilly mit gemischten Wertungen das Pech des 6. Platzes blieb.
Auch wenn Lilly an diesem Abend wegen der Platzziffer geknickt war: Geduld und neue Ziele sind die wichtigsten Tugenden im Tanzsport. Ich bin überzeugt: Ihre Zeit kommt noch …
Ansonsten wurde Samstagnacht bis 4 Uhr kräftig gefeiert. Nur die „Erwachsenen“ samt Lilly & Phil wurden Mitternacht ins Bett geschickt.
Der Sonntag änderte das Kräfteverhältnis zwischen Aktiven und Fans: Die Mannschaftsmitglieder von KonTakt waren vollzählig zur Unterstützung von Clara, Lilly & Phil dageblieben. Zusammen mit Lindas und Ninas Eltern-&-Freunde-Fanblock brachten wir es auf ein ganz ordentliches „Krachpotenzial“.
Für Clara ist es ein Traum, sich für diese Meisterschaft qualifiziert zu haben. Sie hat die Chance genutzt, in ihrer einzigen Runde alles zu geben.
Lilly & Phil hatten eine schwierige Ausgangsposition: Aus den vorherigen Turnieren hatte ich folgendes Gefühl mitgenommen: Dass die Wertungsrichter*innen ruhiges gefühlvolles Tanzen besser werten als Tempo, Risiko & Schwierigkeitsgrad, wo die beiden ihre Stärken haben.
Durch die beiden Ranglisten war der dritte Platz irgendwie in den Köpfen verankert. Da beide äußerlich einen gelassenen Eindruck machten, konnte doch nichts schiefgehen? Zwei Duos auf Plätzen eins und zwei waren eine Klasse für sich.
Es gab ein weiteres Duo aus Ludwigsburg, welches an diesem Tag das Momentum auf seiner Seite hatte: Die gefühlvolle Choreographie schien für dieses Wertungsgericht wie gemacht zu sein. Selbst die Gesichtsmaske, welche der Herr wegen einer Verletzung beim Duo-Training tragen musste, passte perfekt hinein. Phil & Lilly durften direkt nach diesem Duo auf die Tanzfläche. Sie konnten das Wertungsgericht nicht umstimmen.
Der 6. Platz war im ersten Augenblick für mich ein Schock. Im zweiten Augenblick konsequent so gewertet, wie in den Wettbewerben zuvor.
Aller guten Dinge sind eben doch nicht immer drei. So fuhren wir erschöpft, aber ein bisschen unglücklich nach Hause. Weshalb Lilly bei der McDonalds-Abschiedsparty in Nordhessen spontan vorschlug: „Können wir jetzt mal über etwas anderes reden als über Tanzen?“
Klar doch. Das Thema hieß Haustiere und Phil konnte uns glaubhaft nachweisen, dass seine tänzerischen Fähigkeiten definitiv besser sind, als seine Erfolge bei der früheren Meerschweinchenzucht.
Die gute Nachricht ist doch: Mit Ausnahme von Clara haben wir alle Tänzer*innen ins Finale gebracht!!! Die vielen Ausrufezeichen sollen verdeutlichen, dass ich das als großartige Leistung sehe. Weil die anderen Tänzer*innen das ganze Jahr das Gleiche tun wie wir: Fleißig trainieren.
Zum Beispiel für den Deutschlandpokal und die WM, die auch 2020 wieder stattfinden.
Als Dankeschön für diese Saison erhielt Annika als Architektin des Erfolgs einen Präsentkorb. Wo nach bestem Wissen viele ihrer Lieblingsdinge enthalten sein sollten. Fazit: Die belgischen Nougat-Meeresfrüchte haben gefehlt. Beim Geschenke-Zusammenpacken können wir mannschaftlich noch besser werden 😊.
Fotos: Annika Röhl